
Beten
Nicht nur die Christen beten
Was Beten genau heißt, was alles dazugehört, wie man es richtig macht, ob es für alle Menschen ein gangbarer Weg ist - auf diese Fragen gibt es keine einheitlich gültigen Antworten. Die vielen verschiedenen Meinungen über das Beten hängen mit unseren sehr unterschiedlichen Lebenserfahrungen zusammen. Darum beten auch nicht nur Christen. Gebete finden sich in sehr vielfältigen Formen auch in allen anderen Religionen. Oft sind sich diese Gebete bis in die Wortwahl hinein sehr ähnlich. Allen Gebeten gemeinsam ist der Versuch, so etwas wie eine Grundaussage für die unüberschaubare Wirklichkeit des Lebens zu finden.
Vorstufen zum Beten sind vermutlich Zaubersprüche
Sehr alt und verbreitet ist die Vorstellung, dass mit einem bestimmten Wort ein magischer Zwang auf die Götter oder bösen Mächte ausgeübt werden kann, so dass diese die Bitten erfüllen müssen. Opfer und Gelübde unterstützen solche Erwartungen.
Die ersten christlichen Gemeinden zerbrachen diese religiöse Vorstellung, indem sie betonten, dass Beten ein Dialog, ein „Gespräch mit Gott“ ist, welches mit der Erkenntnis beginnt: „wir wissen nicht, was wir beten sollen“ (Römer 8,26) und mit der Bitte: „Herr, lehre uns beten!“ (Lukas 11,1).
Gebete im Alten Testament
Im Alten Testament gab es ursprünglich kein eigenes Wort für das Beten. Mit sehr unterschiedlichen Begriffen wird hier Beten beschrieben: reden, schreien, rufen, weinen, bitten, fürsprechen, loben, danken und suchen. Für diese vielfältigen Formen des Betens sind die Psalmen ein schönes Zeugnis.
Die vielen Formen
Die ersten Christen haben an der jüdischen Tradition des Gebetes festgehalten. Drei Weisen des Gebetes wurden von Bedeutung:
- Das Gebet der Gemeinde im Gottesdienst, das weitgehend aus der Gebetstradition der Psalmen lebt.
- Das Gebet der (kleinen) Gruppe, das unter der Verheißung steht: „Wenn sich zwei von euch auf der Erde einig sind, um irgend etwas zu bitten, so wird es ihnen zuteil werden von meinem Vater im Himmel.“ (Matthäus 18,19)
- Das Gebet des einzelnen, das unter dem Hinweis geschieht: „Du aber bete zu deinem Vater im Verborgenen.“ (Matthäus 6,5-6)
Christliches Beten entfaltet sich in Lob und Dank, Klage, Bitte und Fürbitte.
Im Loben schaut die Gemeinde auf das, was Gott getan hat, jetzt tut und in Zukunft tun wird. Im Danken macht die Gemeinde sich Gottes Handeln zu eigen. In der Klage stellt sie den Unterschied zwischen der von Gott gewollten und der heute vorhandenen Weltlage fest. Dabei erinnert sich die Gemeinde an ihre Mitverantwortung, bekennt Versäumnis und Schuld und bittet um Vergebung. Die Bitte ist Ausdruck der Hoffnung, das Gott seinen Heilswillen durchsetzen möge, notfalls auch gegen uns. In der Fürbitte übernimmt die Gemeinde die Last anderer und lässt ihr Verhältnis zu anderen von Gott her bestimmen und gestalten.
Beten und Handeln
Das Gebet ist der erste Schritt im Handeln der Christen. Wenn meine Fürbitte nicht zur Ersatzhandlung entarten soll, muss es einen zweiten Schritt geben, in dem ich selbst das verwirkliche, was ich im Gebet erbeten habe. Darum kann ich nicht für die Hungernden der Erde beten und erwarten, dass Gott sie satt macht - und meinen, damit genug getan zu haben. So gehört Beten zu der Verantwortung, die wir für diese Welt übertragen bekommen haben.
Diese Verantwortung heute wahrzunehmen, ist so kompliziert geworden, dass wir Bescheid wissen müssen. Zum verantwortlichen Beten gehört also die Information.
Diese wichtigen Informationen bekommen wir aus Gesprächen, gemeinsam werden sie eingeordnet und verarbeitet. Argumente werden abgewogen. Darum gehört zum verantwortlichen Beten die Verständigung über den konkreten Inhalt des Gebetes. So lebt unser Gebet in und von der Gemeinschaft. Das Beten des einzelnen wird ohne Gebet in der Gemeinschaft nur kurze Zeit durchzuhalten sein. Deshalb sollte das private Gebet auf die besondere persönliche Situation beschränkt bleiben. Jesus hat die Zusage seiner Gegenwart an die Gemeinde gebunden (Matthäus 18,19+20). Er will in der Gemeinschaft gegenwärtig sein.
Glaube ist Gebet
Christliches Beten ist Reden „wie mit einem Freund“ (2.Mose 33,11). Es wendet sich an Gott und kann - erfüllt von der Sehnsucht nach Gottes guter, heiler Welt auch heute Unmögliches einschließen. Solches Beten ist auch riskant. Denn Gott nimmt die Beter beim Wort. Er verpflichtet sie. Wer für den Frieden betet, muss auch bereit sein, Frieden zu wahren und zu stiften. Aber es darf auch dort weitergebetet werden, wo uns selbst die Hände gebunden sind, oder wo wir ohnmächtig zum Zuschauen verurteilt sind. Wenn Paulus schreibt: „Betet ohne Unterlass“ (1.Thessalonicher 5,17), so entspricht das dem Wort Luthers: „Glaube ist einfach Gebet.“
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